Comeback eines Schlagworts: Lars Klingbeil boostert die deutsche Wirtschaft

Union und SPD haben ein “Investitionsprogramm” in den Bundestag eingebracht. Es besteht aus einem tatsächlich wirkenden Vorschlag und aus der Wiederbelebung einer neuen Idee. Ein Vorschlag könnte auch etwas bewirken, kommt aber frühestens 2028.

IMAGO

Das Schlagwort ist ein wichtiges Instrument der gegenwärtigen Politik. Mit ihm verkaufen die Politiker Ideen als neu, die alt sind. So heißen Arbeitsgruppen heute nicht mehr so, sondern sie heißen Expertenrunde, Gipfel oder noch besser: “Task Force”. Das klingt nicht so pupsig wie Arbeitsgruppe, stinkt aber genauso vergammelt. Nur gehen der Politik irgendwann die Ideen für neue Schlagwörter aus. Dann muss sie auf alte zurückgreifen. Und in diesem Sinne ist ein altes Schlagwort neu zurück, tata:

Der Booster. Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verspricht im Bundestag ein “Investitionsprogramm”, das zum “Wachstumsbooster” werde. Für alle die, die im diversen Wald der Schlagwörter die Orientierung verloren haben: In seiner letzten Blütezeit war der Booster eine Wiederholung der Impfung gegen das Corona-Virus. Zuerst sollten die erste und zweite Impfung alle Geimpften samt ihrer Familien, Nachbarn und Arbeitskollegen vor einer Ansteckung schützen. Das klappte nur bedingt. Dann sollte der Booster das schaffen, also die dritte Impfung. Dann die vierte, die fünfte… Irgendwann auf dem Weg zur siebten oder 27. Impfung haben die regierenden Parteien ihr Narrativ – auch so ein Schlagwort – aufgegeben. Für drei Jahre galt es als angenehm peinlich, öffentlich irgendwas als Booster anzupreisen.

Nun beschreibt der Vizekanzler das eigene Investitionsprogramm als “Booster”. Und damit trifft Klingbeil den Nagel erstaunlich präzise auf den Kopf. Denn unter Finanzminister und Kanzler Olaf Scholz hat der Bund jede Menge staatliche Investitionsprogramme versucht. Die Schlagwörter hießen: Wumms, Entlastungspakte, Klimafonds, Sondervermögen, Doppelwumms… Sie alle sollten die deutsche Wirtschaft ankurbeln – sie alle haben dazu beigetragen, dass die Wirtschaft im dritten Jahr in Folge schrumpft. Und wie schon bei der Impfung setzt der gemeine Feld-Wald-und-Wiesen-Sozialdemokrat nun wieder auf den Booster. Die nächste Spritze hilft bestimmt.

Woraus besteht die Spritze tatsächlich: Es gibt einen Punkt, der den Betrieben tatsächlich hilft. Schon ab dem nächsten Monat können Unternehmen eine Investition zu einem Satz von 30 Prozent abschreiben. Schneller und einfacher als bisher. Diesen sinnvollen Schritt hat die schwarz-rote Koalition auf Ende 2027 begrenzt. Dann erst soll der zweite sinnvolle Punkt des Pakets in Kraft treten: die Senkung der Körperschaftssteuer. Die zahlen juristische Personen wie Stiftungen oder Kapitalgesellschaften.

Erst in drei Jahren senkt die schwarz-rote Koalition die Körperschaftssteuer von 15 auf 10 Prozent. Aber noch nicht einmal das. Sie tut das in einzelnen Schritten, die erst 2032 abgeschlossen sein sollen. Die Bundesregierung braucht drei Jahre, um mit der Senkung einer Steuer zu beginnen und sieben Jahre, um diese abzuschließen. Wenn das der Finanzminister und SPD-Vorsitzende dann einen “Booster” nennt, parodiert er sich und sein Schlagwort selbst.

Den Kanzlern Friedrich Merz (CDU) und Klingbeil vorzuwerfen, sie würden in ihrer Wirtschaftspolitik nur alte Schlagwörter neu auflegen, dann wäre das unfair. Alte, gescheiterte Ideen legen sie ebenfalls neu auf. Etwa den Wahn, dass die Politik entscheidet, welches Auto der Bürger fährt – und nicht der Bürger. Bis 2030 sollten per politischem Beschluss 15 Millionen E-Autos in Deutschland verkauft sein. Planwirtschaft in Reinkultur. Aktuell zugelassen sind laut ADAC rund 1,6 Millionen E-Autos. Die Senkung der Körperschaftssteuer wird also vermutlich das Schneckenrennen gegen die vorgesehene Zulassung von E-Autos gewinnen.

Aber nicht, wenn es nach Lars Klingbeil geht. Der verspricht: “Wir setzen auf Elektromobilität.” Der Staat kann nicht festlegen, dass der Bürger E-Autos kaufen soll? Er kann dieses Ziel auch nicht mit absurden Subventionen erreichen? Dann ist diese Idee nicht gescheitert. Dann braucht sie nur einen Booster. Den setzt das Investitionsprogramm nun: Unternehmen, die bis 2028 ein E-Auto anschaffen, können dessen Kosten schon im ersten Jahr zu 75 Prozent abschreiben. In den vier Folgejahren sind weitere Abschreibungen von zusammen 15 Prozent möglich. Sodass der Steuern zahlende Arbeitnehmer dem Arbeitgeber sein E-Auto letztlich zu neun Zehnteln bezahlt. Zudem erhöht die Bundesregierung noch die Obergrenze für die Absetzbarkeit von Forschungsausgaben von zehn auf zwölf Millionen Euro. Außerdem sinkt der Steuersatz für einbehaltene Gewinne von Personengesellschaften von 28,25 auf 25 Prozent – aber auch das soll erst in sieben Jahren gelten.

Eine wirkungsvolle Maßnahme sofort. Eine nette Geste. Zwei wirkungsvolle Maßnahmen, die aber erst in sieben Jahren greifen und die Wiedergeburt der Idee, der Staat könnte den Bürger dazu bringen, E-Autos zu kaufen. Wer das alles für armselig hält, sollte nicht zu früh urteilen. Das wird noch armseliger. Denn der Bund setzt unter Union und SPD nur das um, was zum größten Teil die Länder, Städte und Gemeinden finanzieren müssen.

Deswegen steht selbst der Booster noch unter Vorbehalt. Denn, weil sie finanziell betroffen sind, müssen die Länder dem Programm im Bundesrat zustimmen. Sie werden Kompensationen dafür einfordern. Also, wenn der Bund ihnen an der einen Stelle Kosten aufdrückt, soll er ihnen an anderer Stelle auch Einnahmen zukommen lassen. Dafür ist kein Geld im aktuellen Haushalt vorgesehen. Auch weil es keinen aktuellen Haushalt gibt. Nicht mal einen Entwurf. Den will Klingbeil aber noch diesen Monat dem Bundestag vorstellen.

Um mehr Geld zu generieren, will Klingbeil an die Themen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung ran. In dieser Sache, so kündigt der Finanzminister an, will er die Gesetze verschärfen. Auch hier noch vor der Sommerpause. Verbände wie die Familienunternehmer weisen auf den Zusammenhang zwischen Schwarzarbeit und einer Steuern- und Abgabenlast hin, die für manche Branchen unbezahlbar hoch geworden ist. Doch an diesen Zusammenhang geht Klingbeil nicht ran. Weder die Senkung der Lohnsteuer noch der Beiträge für die Sozialversicherung sind in seinem Booster vorgesehen. Die Beiträge für die Krankenkasse werden vermutlich sogar eher steigen. Klingbeil setzt nicht darauf, die Ursachen der Schwarzarbeit zu bekämpfen, sondern die Folgen. Das nächste Mal klappt es bestimmt. Der Kerngedanke eines jeden Boosters.

“Ich lese überall nur das Wort Mehreinnahmen”, wirft Christian Douglas (AfD) dem Finanzminister in der Debatte im Bundestag vor. Nur das Einfordern der Steuern klappe im Bundestag bestens, die Rückzahlung werde von der Regierung auf den “St. Nimmerleinstag” verschoben. Er erinnert als Beispiel an das “Klimageld”, das die Ampel schon vor drei Jahren versprochen hat.

Doch vor den Gedanken dieser Partei schützen sich SPD und Union mit einer “Brandmauer”. Als Reserveregierungspartei stehen ihnen die Grünen zur Verfügung. Die machen so lange mit, so lange CDU, CSU und SPD ihre alten Ideen wiederbeleben und mit noch mehr Verve als beim letzten gescheiterten Versuch durchführen. So diktierte Andreas Audretsch der Koalition: “Ihr werdet mächtig nacharbeiten müssen.” Damit meint der Grüne, dass sie auf jegliche Steuerentlastung verzichten und noch weitere Steuererhöhungen durchführen müssten. Die könnten dann – ein Vorschlag von TE – nach dem Schlagwort “Deep State Empowerment” benannt werden. Aber das wäre vielleicht noch zu ehrlich. “Unsere Demokratie Taler” wäre indes so verniedlichend, wie irreführend, dass sich irgendein Unternehmer bereits jetzt daran die Rechte sichern sollte.

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Kommentare ( 11 )

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Reinhard Schroeter
6 Tage her

Die Nchtskönner, Versager und Nichtsnutze gefallen sich in Phrasen.
Einmal waren es Wummse , gefolgt von Doppelwummsen, untergehakt sollte dann auch noch werden, jetzt wird wieder geboostert und die nächste dumm-und dämliche Phrase wird folgen, wie das Amen in der Kirche. Genau so sicher ist, das der Booster ebenso verpufft wie der Wumms. Klingt halt nur nach was.
Der bundesdeutsche Trottel fällt wie immer drauf rein und reibt sich dann verwundert die Augen, wie es denn sein könnte , dass es trotzdem immer schneller bergab geht.
Seinen Verstand will er aber dennoch nicht gebrauchen.

CasusKnaxus
5 Tage her
Antworten an  Reinhard Schroeter

Danke für die messerscharfe Sicht mit der wunderbaren Prise schwarzen Humors. Wenn s nicht so ernst wäre…

Vallis Blog
6 Tage her

Ich bin mittelständischer Unternehmer und eingetragener Kaufmann. Wie wiedermal sichtbar: Kennt in Regierung und Bundestag keiner. Also was nutzt mir die Senkung der Körperschaftsteuer? Ich will mir auch nicht ständig neue Computer oder Autos kaufen und die dann sonderabschreiben. Für mich ist also kein Booster dabei. Wem geht es noch so?

Florian Teubert
6 Tage her

Nicht vergessen: Viele der zu oft Geboosterten sind heute tot oder leiden unter den gesundheitlichen Folgen. Darf man nicht sagen, ich weiß. Bleibt zu hoffen, dass es der Wirtschaft nicht auch so geht.

Michael Palusch
6 Tage her

„Nachbarn und Arbeitskollegen vor einer Ansteckung schützen. Das klappte nur bedingt.“ Nein, das klappte nicht bedingt, das klappte gar nicht! Die „Impfung“ bot, was selbst die Hersteller einräumen mussten, keinerlei Fremdschutz. Sie wurden nicht einmal darauf getestet. Das sie zudem auch nur einen vernachlässigbaren Eigenschutz, dafür aber einiges an Nebenwirkungen zu bieten hatte, kommt noch hinzu. „können Unternehmen eine Investition zu einem Satz von 30 Prozent abschreiben.“ Na toll! Wo soll denn da die Entlastung sein? Dafür zahlen sie dann eben ab dem fünften Jahr wieder den vollen Gewinnsteuersatz. Das ist allenfalls ein lukratives Angebot an Unternehmen, die in solchen… Mehr

Last edited 6 Tage her by Michael Palusch
Vallis Blog
6 Tage her
Antworten an  Michael Palusch

Für Unternehmen der Rüstungsindustrie!?

MaxVanMoritz
6 Tage her

Vor jedem großen Krieg war die Deflation – Booster heißt mehr Schulden = Geldmenge, was nichts hilft. Zum Schluss kommt die Hyperinflation und das Spiel ist aus. Es ist Zyklisch und nicht Notwendig, für alle die zu verstehen, die Silvio Gesell kennen.
Geld regiert die Welt und wer das Geld?

Bundesbuerger
6 Tage her
Antworten an  MaxVanMoritz

Ist es nun zyklisch oder durch Einzelereignisse wie Krieg getriggert? Versteh ich nicht, aber ich kenne auch Silvio nicht.

A. Loeffler
6 Tage her

Schule, Energie, Nationalmannschaft, Wirtschaft. In jeder dieser Disziplinen glaubt jeder Blödmann und jeder Politiker, er müsste mitreden und könnte darin herumfuhrwerken, nur weil er selbst mal in der Schule war, einen Lichtschalter bedienen kann, vor 40 Jahren gekickt hat oder manchmal einkaufen geht. Lasst uns um Gottes willen in Ruhe, ihr Stümper. Ihr wisst nicht, von was ihr redet und was ihr anrichtet.

Bernd Bueter
6 Tage her

Jau, UNTERGANG nennt sich das Dauerprogramm der Polit-OK.
Man kann das Worthülsengefasel der Polit-Betrüger einfach nicht mehr hören
Seit SED-Merkel nur noch sozialistischer Müll im Angebot. Die Mauer steht auch schon wieder, nur mit dem in den Rückenschießen hapert es noch.Aber die Soße der obersauerländer Kriegsgeilheit wird auch das richten.

Reimund Gretz
6 Tage her

Zeitenwende, Wumms, Doppelwumms , Investitionsbooster es wird immer lächerlicher mit was man den Eindruck erwecken will das politische Versagen könnte durch die #Schuldenorgie, #Fehlsubventionen behoben werden.
Die ganzen Missstände werden nur weiter verwaltet!